Das muss man bei der Patientenverfügung beachten
Selbstbestimmt im Falle der Entscheidungsunfähigkeit? Die Patientenverfügung regelt Deine medizinischen Behandlungen.
Was passiert, wenn Du plötzlich nicht mehr selbst entscheiden kannst? Ein Unfall, eine schwere Erkrankung – und plötzlich übernehmen andere die Verantwortung für medizinische Entscheidungen, die eigentlich nur Du selbst treffen solltest. Genau dafür gibt es die Patientenverfügung.
In Österreich regelt dieses Dokument genau, welche medizinischen Behandlungen Du im Ernstfall ablehnst – etwa lebenserhaltende Maßnahmen oder künstliche Ernährung. Es ist mehr als nur ein Formular. Es ist ein Zeichen von Selbstbestimmung und eine enorme Entlastung für Deine Angehörigen.
Doch viele Menschen wissen nicht, wann eine Patientenverfügung verbindlich ist, wie sie korrekt erstellt wird oder was sie kostet. Manche glauben sogar, dass ein einfaches Schreiben reicht – und erleben im Ernstfall böse Überraschungen.
In diesem Beitrag erfährst Du alles Wichtige rund um die Patientenverfügung in Österreich: Welche Arten es gibt, welche Voraussetzungen sie erfüllen muss, wie lange sie gültig ist – und warum Du gerade jetzt handeln solltest.
Was ist eine Patientenverfügung?
Zwei Arten der Patientenverfügung: Was ist verbindlich, was nur Orientierung?
Nicht jede Patientenverfügung hat die gleiche rechtliche Wirkung – und genau hier liegt für viele eine große Unsicherheit. In Österreich wird zwischen verbindlicher und beachtlicher Patientenverfügung unterschieden. Beide ermöglichen Dir, medizinische Maßnahmen im Ernstfall im Voraus abzulehnen – aber nicht beide sind für Ärzt:innen bindend.
Warum diese Unterscheidung so wichtig ist:
Stell Dir vor, Du bist nicht mehr in der Lage, Deine Wünsche selbst auszudrücken. Vielleicht aufgrund eines schweren Unfalls oder einer fortschreitenden Krankheit. Genau dann entscheidet die Art der Verfügung darüber, ob Dein erklärter Wille tatsächlich umgesetzt wird – oder ob Ärzt:innen doch nach eigenem Ermessen entscheiden.
Wann reicht die beachtliche Patientenverfügung?
Die beachtliche Variante ist oft der erste Schritt für Menschen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen möchten – ohne gleich zum Notar zu gehen. Sie ist formloser, aber auch rechtlich schwächer. Ärzt:innen sollen sie berücksichtigen, müssen es aber nicht, insbesondere wenn sie Zweifel haben, ob der Inhalt dem aktuellen Willen entspricht oder medizinische Fortschritte eine Neubewertung erfordern.
Warum wird die verbindliche Variante empfohlen?
Nur die verbindliche Patientenverfügung garantiert Dir, dass Deine Entscheidungen auch dann umgesetzt werden, wenn Du selbst nicht mehr dazu in der Lage bist. Sie bietet Dir maximale Selbstbestimmung – und Deinen Angehörigen Sicherheit, dass sie in Deinem Sinne handeln.
Wer kann eine Patientenverfügung erstellen?
In Österreich kann jede einsichts- und urteilsfähige Person eine Patientenverfügung erstellen – unabhängig vom Alter, der aktuellen Gesundheitssituation oder dem sozialen Hintergrund. Entscheidend ist allein, dass die Person die Tragweite der Entscheidung versteht und aus freiem Willen handelt.
Wichtig zu wissen:
Rechtlich gilt man ab dem 14. Lebensjahr als urteilsfähig, sofern die jeweilige Person die Bedeutung ihrer Entscheidung nachvollziehen kann. Das bedeutet: Auch junge Menschen können unter bestimmten Voraussetzungen eine Verfügung verfassen – etwa, wenn sie an einer schweren chronischen Krankheit leiden oder sich früh mit dem Thema auseinandersetzen.
Typische Gruppen, die eine Patientenverfügung nutzen:
- Ältere Menschen, die sich bewusst mit ihrem letzten Lebensabschnitt auseinandersetzen und bestimmte Eingriffe ausschließen möchten (z. B. künstliche Ernährung oder Beatmung).
- Menschen mit schweren Erkrankungen, etwa Krebspatient:innen oder Personen mit neurodegenerativen Erkrankungen, die konkrete Wünsche zur Schmerztherapie oder zu lebensverlängernden Maßnahmen festhalten möchten.
- Personen mit religiösen Überzeugungen, die aus Glaubensgründen bestimmte Behandlungen ablehnen – etwa Bluttransfusionen oder invasive Eingriffe.
Eine persönliche Geschichte: Warum es einen Unterschied macht
Miriam, 42 Jahre, lebt in Linz.
Nach einer Brustkrebsdiagnose unterzieht sie sich einer Chemotherapie. „Es gab Momente, in denen ich dachte: Was, wenn ich irgendwann nicht mehr sagen kann, was ich möchte?“, erzählt sie. In Gesprächen mit ihrer Onkologin entscheidet sie sich für eine verbindliche Patientenverfügung. „Ich wollte meiner Schwester nicht zumuten, für mich entscheiden zu müssen, wenn es einmal kritisch wird. Das sollte meine Verantwortung bleiben.“
Ihre Verfügung hält klar fest: keine künstliche Beatmung, keine Reanimation im Endstadium der Erkrankung – aber jederzeit bestmögliche Schmerztherapie. „Das Schreiben hat mir nicht nur Sicherheit gegeben – sondern auch die Möglichkeit, mich mit meinem Leben, meinem Sterben und meiner Familie auszusöhnen.“
Höchstpersönlich – was bedeutet das?
Die Patientenverfügung muss immer von der betreffenden Person selbst erstellt und unterschrieben werden. Weder Eltern, noch Ehepartner:innen, noch gesetzliche Vertreter:innen dürfen sie stellvertretend verfassen – selbst dann nicht, wenn eine enge emotionale Bindung besteht oder bereits eine Vorsorgevollmacht vorliegt.
Das Ziel: Die medizinische Selbstbestimmung bleibt in der Hand der betroffenen Person – und wird nicht durch Dritte ersetzt.
Voraussetzungen für eine verbindliche Patientenverfügung
Damit eine Patientenverfügung in Österreich rechtlich bindend ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Nur dann sind Ärzt:innen verpflichtet, den dokumentierten Willen zu respektieren – auch in Situationen, in denen die betroffene Person selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist.
Diese Voraussetzungen geben Deiner Entscheidung die nötige rechtliche Sicherheit und verhindern, dass es im Ernstfall zu Unsicherheiten oder Konflikten kommt.
1. Einsichts- und Urteilsfähigkeit
Die Person muss in der Lage sein, medizinische Informationen zu verstehen und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu erfassen.
Das bedeutet: Du solltest nachvollziehen können, was es bedeutet, z. B. auf Wiederbelebung oder künstliche Beatmung zu verzichten – und welche Folgen das in einer konkreten Notsituation hätte.
2. Ärztliche Aufklärung
Ein Arzt oder eine Ärztin muss vorab ein Gespräch führen, in dem:
- die medizinischen Inhalte erklärt werden,
- mögliche Alternativen zur Ablehnung besprochen werden,
- und Raum für Fragen gegeben ist.
Besonders bei komplexen Erkrankungen ist eine Aufklärung durch Fachärzt:innen empfehlenswert – etwa in der Onkologie, Palliativmedizin oder Neurologie.
Hinweis: Die ärztliche Aufklärung muss dokumentiert und mit der Verfügung gemeinsam aufbewahrt werden.
3. Juristische Errichtung
Die Erstellung der Verfügung muss formell korrekt erfolgen – bei einer der folgenden Stellen:
- Notar:in
- Rechtsanwält:in
- Patientenanwaltschaft
Diese Instanzen bestätigen, dass die Verfügung rechtlich korrekt ist und die unterzeichnende Person zu diesem Zeitpunkt urteilsfähig war. Erst dann wird die Verfügung verbindlich.
4. Konkrete Formulierung medizinischer Ablehnungen
Die Patientenverfügung darf nicht allgemein oder vage formuliert sein. Sie muss konkrete Maßnahmen benennen, z. B.:
Wichtig: Allgemeine Aussagen wie „Ich möchte in Würde sterben“ reichen nicht aus, um eine Verfügung rechtlich verbindlich zu machen.
5. Aktualität – nicht älter als 8 Jahre
Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2019 gilt:
Eine verbindliche Patientenverfügung ist acht Jahre lang gültig. Danach muss sie erneuert werden – jedoch ohne nochmalige juristische Beratung, sofern sich keine inhaltlichen Änderungen ergeben haben.
Sollte die Person ihre Einsichts- und Urteilsfähigkeit zwischenzeitlich verlieren, bleibt die Verfügung dennoch gültig – solange sie bei Errichtung korrekt erstellt wurde.
Hinweis: Eine Patientenverfügung ist kein „einmaliges Dokument“. Sie sollte regelmäßig überprüft werden – besonders bei schwerer Krankheit, nach einem Klinikaufenthalt oder bei Lebensveränderungen. Halte Deine Wünsche aktuell, damit sie auch im Ernstfall wirklich zählen.
Erstellung, Kosten und Registrierung
Was Du wissen musst, bevor Du Deine Patientenverfügung aufsetzt
Eine Patientenverfügung zu erstellen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für Dich selbst und für Deine Angehörigen. Damit Dein Wille im Notfall auch wirklich berücksichtigt wird, sind einige Schritte notwendig. Hier findest Du einen Überblick über die wichtigsten organisatorischen Punkte.
1. Kosten im Überblick
Je nach Anbieter und Region können unterschiedliche Kosten entstehen. Eine verbindliche Patientenverfügung umfasst zwei zentrale Schritte:
die ärztliche Aufklärung und die juristische Errichtung.
2. Wer übernimmt die Kosten?
Die Kosten für Aufklärung, Beglaubigung und Registrierung müssen selbst getragen werden. Es gibt aktuell keine allgemeine Kostenübernahme durch Krankenkassen. Einige Bundesländer oder Sozialdienste bieten jedoch finanzielle Unterstützung für bestimmte Gruppen (z. B. Senior:innen, Menschen mit Behinderung, pflegende Angehörige).
Hinweis: Informationen dazu findest Du auf den Seiten des Sozialministeriums Österreich, bei Deiner Gemeinde oder direkt bei der Patientenanwaltschaft.
3. Registrierung – Damit Dein Wille gefunden wird
Eine Patientenverfügung ist nur dann wirksam, wenn sie im Notfall schnell auffindbar ist. Deshalb wird empfohlen, sie in einem offiziellen Register zu hinterlegen:
Beide Register stellen sicher, dass medizinisches Personal im Ernstfall rasch auf die Daten zugreifen kann.
Hinweis: Eine Patientenverfügung kann vieles erleichtern – für Dich selbst, aber auch für die Menschen, die Dir nahestehen. Wenn Du Unterstützung brauchst, kannst Du Dich bei der Patientenanwaltschaft beraten lassen. Und falls Du Angehörige pflegst, hilft Dir noracares nicht nur bei der Vorsorge, sondern auch bei der Suche nach Pflegekräften – direkt und unkompliziert.
Gültigkeit und Widerruf einer Patientenverfügung
Was Du über die Laufzeit und Deine Rechte wissen solltest
Wie lange ist eine Patientenverfügung gültig?
Seit der Gesetzesänderung 2019 gilt in Österreich:
- Eine verbindliche Patientenverfügung ist acht Jahre lang gültig.
- Danach muss sie erneuert werden, um weiterhin rechtlich bindend zu bleiben.
Wichtig: Auch wenn Du die Verfügung nach Ablauf nicht erneuerst, verliert sie nicht automatisch ihre Bedeutung. Sie wird dann als beachtliche Patientenverfügung behandelt – das heißt: Sie dient Ärzt:innen als Orientierung, ist aber nicht mehr verbindlich.
Was passiert, wenn ich urteilsunfähig werde?
Wenn Du innerhalb dieser acht Jahre urteilsunfähig wirst – etwa durch Krankheit oder Unfall – und die Verfügung noch gültig ist, bleibt sie in ihrer bestehenden Form verbindlich. Eine nachträgliche Verlängerung oder inhaltliche Änderung ist dann nicht mehr möglich.
Daher ist es umso wichtiger, die Verfügung rechtzeitig zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren, solange Du noch urteils- und entscheidungsfähig bist.
Der Widerruf – Du bestimmst jederzeit neu
Du hast jederzeit das Recht, Deine Patientenverfügung zu widerrufen – vorausgesetzt, Du bist urteilsfähig.
Möglichkeiten des Widerrufs:
- Mündlich – z. B. gegenüber Ärzt:innen oder Angehörigen
- Schriftlich – mit einer neuen Erklärung
- Formlos – z. B. durch Zerstörung oder Entfernung der bestehenden Verfügung
Wenn Du die Verfügung widerrufst, informiere nahestehende Personen und Deinen Hausarzt oder Deine Hausärztin. So stellst Du sicher, dass im Notfall nicht versehentlich eine veraltete Verfügung berücksichtigt wird.
Wann wird eine Patientenverfügung unwirksam?
Auch wenn sie formal gültig erstellt wurde, kann eine Patientenverfügung in bestimmten Fällen ihre Verbindlichkeit verlieren:
Hinweis: Um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, solltest Du Deine Patientenverfügung alle fünf bis sieben Jahre prüfen lassen – auch wenn die gesetzliche Frist bei acht Jahren liegt.
Warum eine Patientenverfügung so wichtig ist
Eine Patientenverfügung ist mehr als ein Dokument – sie ist ein Ausdruck von Selbstbestimmung, Fürsorge und innerer Klarheit. Wer sie erstellt, übernimmt Verantwortung für das eigene Leben – und entlastet gleichzeitig die Menschen, die einem am nächsten stehen. Denn im Ernstfall zählt jede Entscheidung – und niemand sollte dabei raten müssen, was Du gewollt hättest.
Gerade in einem komplexen medizinischen Umfeld wie heute ist es entscheidend, den eigenen Willen eindeutig und rechtssicher festzuhalten. Ob Du jung oder alt bist, gesund oder bereits erkrankt: Eine verbindliche Patientenverfügung gibt Dir die Möglichkeit, Deine Würde und Deinen Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben – und Sterben – zu wahren.
noracares unterstützt Dich nicht nur beim Thema Vorsorge, sondern hilft Dir auch, die passende Pflegekraft für Deine Familie zu finden – direkt und persönlich über unsere Plattform. So kannst Du sicher sein: Wenn es drauf ankommt, ist jemand da, der sich kümmert.
- Patientenverfügung - Schriftliche Erklärung, mit der eine Person im Voraus bestimmte medizinische Maßnahmen ablehnt, falls sie nicht mehr entscheidungsfähig ist.
- Verbindliche Patientenverfügung - Rechtlich bindendes Dokument, das alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Ärzt:innen sind an die Anweisungen gebunden.
- Beachtliche Patientenverfügung - Nicht bindend, aber von Ärzt:innen zu berücksichtigen. Wird häufig genutzt, wenn keine vollständige juristische Absicherung erfolgt ist.
- Einsichts- und Urteilsfähigkeit - Fähigkeit, die Tragweite einer Entscheidung zu erkennen und auf dieser Basis einen freien Willen zu bilden.
- Ärztliche Aufklärung - Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin über medizinische Inhalte, Risiken und Alternativen, das dokumentiert wird.
- Patientenanwaltschaft - Unabhängige Institution, die Patient:innen in Österreich berät, unterstützt und teilweise auch die Patientenverfügung kostenlos erstellt.
- Register (ÖRAK, ÖNK) - Österreichische Rechtsanwaltskammer bzw. Notariatskammer – bieten digitale Register, in denen Patientenverfügungen hinterlegt werden können.
- Widerruf - Rücknahme der Patientenverfügung durch die betroffene Person – jederzeit möglich, solange sie urteilsfähig ist.