Was darfst Du wo? Deine Kompetenzen in der Pflege verstehen und nutzen
Was darf ich in meinem Pflegeberuf eigentlich tun – und was nicht?
Diese Frage stellen sich tagtäglich tausende Pflegekräfte – egal ob Pflegeassistenz (PA), Pflegefachassistenz (PFA) oder diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson (DGKP). In einem Berufsfeld, das so viel Verantwortung trägt und so nah am Menschen arbeitet, ist es entscheidend zu wissen: Was darf ich eigenverantwortlich tun? Wann brauche ich ärztliche Anordnungen? Welche Grenzen gelten – und warum?
Doch die Realität sieht oft anders aus: Die gesetzlichen Grundlagen – etwa das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) oder das Pflegeberufegesetz (PflBG) – sind komplex formuliert. Die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen verschwimmen im stressigen Alltag. Und nicht selten fehlt die Zeit oder der Raum, um sich mit diesen wichtigen Fragen wirklich auseinanderzusetzen. Genau hier setzt dieser Artikel an!
Wir geben Dir einen strukturierten, praxisnahen und rechtlich fundierten Überblick über die zentralen Kompetenzbereiche in der Pflege – zugeschnitten auf die Berufspraxis in Österreich und Deutschland. Du erfährst:
- Welche Tätigkeiten in der 24-Stunden-Pflege, mobilen Pflege, im Krankenhaus oder in der Langzeitpflege erlaubt sind.
- Wo Deine Kompetenzgrenzen liegen – und wie Du diese im Alltag sicher und verantwortungsvoll einhalten kannst.
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Wie die fünf gesetzlich definierten Kompetenzbereiche aufgebaut sind und wie Du sie in Deiner Rolle täglich lebst.
Dieser Beitrag richtet sich an alle, die in der Pflege arbeiten – oder in die Pflege einsteigen wollen: Pflegekräfte, Pflegeschüler:innen, Praxisanleiter:innen oder Entscheidungsträger:innen im Gesundheitswesen. Und er zeigt: Gute Pflege beginnt mit Klarheit.
Mach Schluss mit Unsicherheit und Halbwissen – hier bekommst Du das, was Du wirklich brauchst: Orientierung, Sicherheit und fachliches Selbstbewusstsein.
24-Stunden-Pflege: Nähe, Vertrauen und klare Grenzen
Die 24-Stunden-Betreuung ist eine besondere Form der Pflege, die stark von Nähe und Kontinuität geprägt ist. Betreuungskräfte wohnen meist im Haushalt der zu betreuenden Person – dadurch entsteht ein enges Vertrauensverhältnis. Gleichzeitig ist diese Nähe mit hoher Verantwortung verbunden: Was darf ich tun? Was nicht?
Rechtlicher Rahmen laut GuKG
Viele 24-Stunden-Betreuer:innen verfügen über eine Ausbildung zur Pflegeassistenz (PA). Damit dürfen sie laut Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG § 15) folgende Tätigkeiten ausführen:
- Unterstützung bei der Körperpflege und beim Ankleiden
- Hilfe bei der Nahrungsaufnahme
- Unterstützung bei der Mobilisation
- Hautpflege, Lagerung, Prophylaxen
- einfache Dokumentation
Tätigkeiten im Alltag – was erlaubt ist
Emotionale Herausforderung: Nähe mit Verantwortung
Diese enge Betreuung bringt nicht nur Vertrauen – sondern auch emotionale Belastung. Pflegekraft und Pflegebedürftige verbringen oft Wochen oder Monate gemeinsam unter einem Dach. Konflikte, Überforderung oder Unsicherheiten gehören zur Realität.
Beispiel aus dem Alltag:
Elena, eine 24-Stunden-Pflegekraft aus Rumänien, berichtet: „Ich war mir unsicher, ob ich das mit der PEG-Sonde richtig mache. Erst nach einer Einweisung durch die mobile Pflege war ich beruhigt.“
Wenn sich Betreuungskräfte überfordert fühlen, ist es essenziell, dass sie nicht alleine gelassen werden. Mobile Dienste oder diplomiertes Pflegepersonal können hinzugezogen werden – das ist nicht nur erlaubt, sondern im Sinne der Pflegequalität sogar geboten.
Mobile Pflege: Flexibilität und Fachverantwortung
Die mobile Pflege bringt Pflegekräfte direkt zu den Menschen nach Hause – oft mehrmals pro Woche. Dabei kommen verschiedene Berufsgruppen zum Einsatz: Hauskrankenpflege (HKP), Pflegefachassistenz (PFA), Pflegeassistenz (PA) und Heimhilfe (HH). Jede hat klar definierte Aufgaben – geregelt im GuKG (Österreich) bzw. im PflBG (Deutschland).
Zeitdruck im Viertelstundentakt
Die mobile Pflege wird in 15-Minuten-Einheiten abgerechnet – das bedeutet: jede Handlung muss effizient und zielgerichtet sein. Für tiefergehende Gespräche oder spontane Betreuung bleibt oft wenig Zeit.
Eine Studie der Gesundheit Österreich GmbH (2023) zeigt: 73 % der mobilen Pflegekräfte empfinden den Zeitdruck im Alltag als hoch. Dennoch schätzen sie die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich über Wochen und Monate entwickeln.
Erfahrungsbeispiel: Sandra, mobile Pflegekraft aus Oberösterreich „Zu Beginn war ich frustriert – 15 Minuten, um alles zu machen, das schien unmöglich. Aber mit der Zeit lernte ich, Prioritäten zu setzen. Und ich merkte: Wenn man regelmäßig kommt, entsteht auch Vertrauen in kleinen Etappen. Heute bin ich für viele mehr als nur 'die Pflegerin' – ich bin Gesprächspartnerin, Zuhörerin, manchmal auch Stütze in schwierigen Momenten.“
Hinweis: Gute mobile Pflege braucht Organisation, Empathie – und ein starkes Team im Hintergrund. Je klarer Aufgaben und Kompetenzen verteilt sind, desto besser gelingt die Versorgung.
Langzeitpflegeeinrichtung: Alltag mit Herz und Struktur
In Alten- und Pflegeheimen ist Teamarbeit entscheidend. Hier leben Bewohner:innen oft über Monate oder Jahre – Pflegekräfte werden zu vertrauten Begleitpersonen. Doch auch hier gilt: Jede Berufsgruppe hat klar definierte Kompetenzen.
Medizinische Eingriffe wie das Legen von Venenverweilkanülen oder intravenöse Infusionen sind in stationären Langzeitpflegeeinrichtungen laut GuKG (§ 15–§ 17) meist nicht vorgesehen. Stattdessen werden Medikamente subkutan verabreicht – also unter die Haut.
- Pflege in Zahlen: Laut Statista (Pflegebericht Österreich 2024) leben über 92.000 Menschen dauerhaft in stationären Pflegeeinrichtungen – mit steigender Tendenz. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 2,8 Jahren.
- Beispiel aus dem Pflegealltag: Renate, eine DGKP mit 18 Jahren Berufserfahrung, erzählt: „Im Heim geht es nicht nur um Medikamente. Es geht darum, Biografien zu kennen. Zu wissen, dass Herr Maier morgens seinen Kaffee mit zwei Löffeln Zucker trinkt, ist genauso wichtig wie die Insulindosis. Nähe ist unsere stärkste Kompetenz.“
Hinweis: In der Langzeitpflege entstehen intensive Bindungen – aber auch emotionale Herausforderungen. Supervisionen und ein gutes Teamklima sind entscheidend, um langfristig gesund im Beruf zu bleiben.
Krankenhaus: Komplexität und Professionalität
Die Pflege im Krankenhaus zählt zu den vielseitigsten, aber auch forderndsten Einsatzbereichen. Hier arbeiten Pflegekräfte mit Patient:innen unterschiedlichster Krankheitsbilder – von Notfällen über chronische Erkrankungen bis hin zu postoperativen Versorgungen.
Wer macht was?
- DGKP (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen) tragen die Gesamtverantwortung für den Pflegeprozess. Sie übernehmen die Medikamentenvergabe, Pflegeplanung, interdisziplinäre Kommunikation und pflegerische Dokumentation.
- PFA (Pflegefachassistenz) unterstützen bei medizinischen Tätigkeiten wie Infusionen, Wundversorgung, Verbänden – meist nach ärztlicher Anordnung.
- PA (Pflegeassistenz) konzentrieren sich auf Grundpflege, Mobilisation und Alltagsbegleitung der Patient:innen.
Laut dem Bericht zur Pflegepersonalbedarfsprognose 2024 des Bundesministeriums für Soziales ist der Fachkräftebedarf im Akutbereich besonders hoch – mit bis zu 35 % mehr benötigten DGKP-Stellen bis 2030.
Herausforderungen in der Akutpflege
Krankenhauspflege ist geprägt von Zeitdruck, hoher Verantwortung und vielfältigen Aufgaben. Besonders in Notaufnahmen oder chirurgischen Stationen müssen Pflegekräfte schnell und präzise agieren – auch in Notfallsituationen.
Beispiel aus dem Alltag: Thomas, DGKP auf einer Intensivstation: „Manchmal betreue ich fünf schwerkranke Menschen gleichzeitig – das bedeutet Priorisieren, Ruhe bewahren und trotzdem für jeden da sein.“
Die Belastung ist hoch – aber auch die fachliche Entwicklung: Im Krankenhaus wenden Pflegekräfte das gesamte Spektrum ihrer Kompetenzen an und erweitern ihr Wissen täglich.
Hinweis: Wer Abwechslung liebt, sich fachlich weiterentwickeln und interdisziplinär arbeiten möchte, findet im Krankenhaus den idealen Platz – vorausgesetzt, man kennt und respektiert die eigenen Grenzen.
Die fünf Kompetenzbereiche der Pflege nach PflBG & GuKG
Die berufliche Pflege in Deutschland und Österreich basiert auf fünf gesetzlich definierten Kompetenzbereichen. Diese gelten nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der täglichen Praxis als Fundament für professionelles Pflegehandeln.
1. Pflegeprozess & Pflegediagnostik
Hier geht es um die Fähigkeit, Pflegebedarfe systematisch zu erheben, zu dokumentieren und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Pflegekräfte beobachten, beurteilen, planen, führen durch und evaluieren Pflege – auf Basis wissenschaftlich fundierter Standards. Laut § 14 GuKG liegt die Hauptverantwortung dafür bei der DGKP. In Deutschland regelt § 4 PflBG die Übernahme von Aufgaben im Pflegeprozess.
Der Pflegeprozess umfasst sechs Phasen:
- Informationssammlung
- Pflegeproblem erkennen
- Ziel festlegen
- Maßnahmen planen
- Durchführung
- Evaluation
Ein strukturierter Pflegeprozess sichert Qualität und ermöglicht patientenzentriertes Handeln. Studien zeigen, dass Pflegequalität messbar steigt, wenn Pflegeplanung systematisch erfolgt (vgl. Pflegebericht 2024, GÖG).
2. Kommunikation & Beratung
Pflege ist Beziehungsarbeit. Ob mit Patient:innen, Angehörigen oder im interdisziplinären Team – gelungene Kommunikation schafft Vertrauen. Dazu zählt auch die Beratung in schwierigen Lebenslagen, z. B. bei Krankheitsverarbeitung oder Pflegeübergängen.
Studien wie die Pflegepersonal-Bedarfsprognose 2024 (GÖG, Österreich) zeigen, dass empathische Kommunikation entscheidend zur Versorgungsqualität beiträgt. In Deutschland wird dies auch im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Pflege (NKL-P) betont.
Typische Aufgaben:
- Gesprächsführung mit Patient:innen
- Anleitung von Angehörigen
- Krisengespräche im multiprofessionellen Setting
- kultursensible Kommunikation
3. Interprofessionelles Handeln
Pflegekräfte arbeiten eng mit Ärzt:innen, Therapeut:innen, Sozialdiensten und anderen Berufsgruppen zusammen. Ziel ist eine koordinierte, patientenzentrierte Versorgung. Hierbei ist es wichtig, die eigene Rolle im Team zu kennen und Verantwortung zu übernehmen, ohne Zuständigkeitsbereiche zu überschreiten.
Gerade in der stationären Pflege oder bei Übergaben im Krankenhaus ist die Kommunikation über Berufsgrenzen hinweg essenziell. Fehlende Zusammenarbeit erhöht das Risiko für Behandlungsfehler – so belegt z. B. der Qualitätssicherungsbericht der GÖG 2023, dass interprofessionelles Handeln wesentlich zur Patientensicherheit beiträgt.
4. Recht, Ethik & Qualitätssicherung
Pflege findet immer im Spannungsfeld von rechtlichen Vorgaben, ethischen Dilemmata und institutionellen Rahmenbedingungen statt. Pflegekräfte müssen rechtliche Grundlagen (z. B. Schweigepflicht, Haftung, Berufspflichten) kennen und ein ethisch reflektiertes Handeln zeigen – etwa bei Sterbebegleitung oder Zwangsmaßnahmen.
Qualitätssicherung umfasst zudem:
- Fortbildungspflicht (Pflicht zur regelmäßigen Weiterbildung)
- lückenlose Pflegedokumentation
- Teilnahme an Supervision, Fallbesprechung und Pflegevisiten
Die Einhaltung dieser Aspekte ist auch arbeitsrechtlich relevant – vgl. § 13 GuKG (Verantwortung und Haftung) und aktuelle Stellungnahmen der ÖGKV.
5. Wissenschaftliches Arbeiten & Berufsethos
Pflege ist ein lernender Beruf. Neue Studien, Leitlinien und Technologien verändern die Praxis stetig. Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet, pflegerische Maßnahmen kritisch zu hinterfragen, weiterzuentwickeln und sich evidenzbasiert fortzubilden.
Gleichzeitig ist das Berufsethos – also die innere Haltung – ein zentrales Element: Empathie, Verantwortungsbewusstsein, Integrität.
Laut Pflegebildung 2030 (BMASGK, Österreich) ist ethisch fundiertes Handeln eine Schlüsselkompetenz für Pflegekräfte im 21. Jahrhundert. In Deutschland fordert der § 5 PflBG explizit „Berufsethos und Reflexionsfähigkeit“ als zentrales Ausbildungsziel.
Quellen: Pflegeberufegesetz (PflBG, Deutschland), Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG, Österreich), GÖG Pflegepersonal-Bedarfsprognose 2024, Pflegebericht Österreich 2024, ÖGKV-Kompetenzrahmen Pflege, NKL-P Deutschland und Pflegebildung 2030 (BMASGK).
Pflege ist mehr als ein Beruf – sie ist eine Berufung mit klaren Aufgaben, Rechten und Pflichten. Ob in der mobilen Pflege, im Heim oder Krankenhaus: Was Du darfst, hängt nicht nur von Deiner Ausbildung ab, sondern auch vom Einsatzbereich und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Wer seine Kompetenzen kennt, schützt sich selbst – und sorgt für bessere Versorgung. Deshalb gilt: Informiere Dich, frage nach und nutze jede Gelegenheit zur Weiterbildung. Und wenn Du bereit bist, Deine Kompetenz sichtbar zu machen, hilft Dir noracares dabei, den passenden Pflegeeinsatz zu finden – fair, transparent und auf Augenhöhe.
- Pflegeassistenz (PA): Einjährige Ausbildung für grundpflegerische Tätigkeiten wie Körperpflege, Mobilisation, Essenshilfe. Arbeiten erfolgen auf ärztliche Anordnung oder unter Anleitung.
- Pflegefachassistenz (PFA): Zweijährige Ausbildung mit erweiterten Kompetenzen (z. B. Injektionen, Medikamentengabe, einfache Wundversorgung).
- DGKP (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson): Höchste pflegerische Qualifikation mit Verantwortlichkeit für den Pflegeprozess, Dokumentation, Beratung und Anleitung.
- Pflegeprozess: Strukturierter Ablauf zur professionellen Pflegeplanung – umfasst Anamnese, Diagnose, Planung, Durchführung und Evaluation.
- GuKG: Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – regelt die Pflegeberufe in Österreich, inkl. Ausbildungsinhalte und rechtliche Rahmenbedingungen.
- PflBG: Pflegeberufegesetz – deutsches Gesetz zur Ausbildung und Berufsausübung in der Pflege.
- Subkutane Injektion: Verabreichung eines Medikaments unter die Haut, z. B. Insulin. Nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.
- Interprofessionelles Handeln: Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen im Gesundheitswesen mit dem Ziel, eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen.
- Pflegediagnostik: Beurteilung des Pflegebedarfs und Grundlage für individuelle Pflegeplanung.
- Berufsethos: Die innere Haltung und Werteorientierung, die eine professionelle Pflegekraft im Berufsalltag leitet.