Pflegetheorie vs. Pflegepraxis – Wie sieht es wirklich aus?

In der Theorie werden dir evidenzbasierte Standards und wissenschaftlich fundierte Handlungsabläufe beigebracht. Doch wie sieht der Pflegealltag wirklich aus? Kann man alles eins zu eins so umsetzen, wie man es gelernt hat? Oder unterscheiden sich die Pflegetheorie und die Pflegepraxis maßgeblich?

 

Ich werde dir anhand von persönlichen Erfahrungen einen Einblick in die Kluft zwischen Theorie und Praxis geben.

 

Pflegeausbildung als Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis

Ich befinde mich zurzeit im letzten Studienjahr zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin. Meine Ausbildung ist geprägt von theoretischen Lehrveranstaltungen, informativen Vorlesungen zu diversen Krankheitsbildern und dem regelmäßigen Auseinandersetzen mit wissenschaftlichen Studien. Außerdem ist dieses Studium stark verknüpft mit praktischen Übungen und Praktika in allen Bereichen der Pflege. Da ich mich genau an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis befinde, will ich dich darüber aufklären, wie weit Theorie und Praxis auseinandergehen, beziehungsweise welche Fertigkeiten du wirklich vom theoretischen Unterricht übernehmen kannst.

 

CPR Training mit Medizinstudenten

 

In meiner Pflegeausbildung gibt es den praktischen Unterricht, in dem alle pflegerischen Tätigkeiten gelehrt werden. Im Unterricht gibt es sogenannte „Handlung-Check-Listen“, in denen Schritt für Schritt beschrieben wird, wie die Abfolge einer Tätigkeit ist.

 

Diese „Handlungs-Check-Listen“ sind evidenzbasiert, das heißt, dass sie wissenschaftlich geprüft, bestätigt und in die Praxis übertragen worden sind. Mit Hilfe dieser praktischen Übungen werden dir die Handlungen anschaulich vermittelt. An Übungspuppen oder an den Mitstudentinnen und Mitstudenten wird fleißig geübt, sodass die praktischen Fertigkeiten im Pflegepraktikum sitzen. Doch ist es in der Pflegepraxis wirklich so, wie man es gelernt hat?

 

Wie sieht der Pflegealltag wirklich aus?

Was glaubst du? Unterscheiden sich Pflegetheorie und -praxis wesentlich oder ist es sehr ähnlich?

 

Grundsätzlich gesagt kommt es auf die Tätigkeit drauf an. Bei vielen Handlungen ist der Ablauf und die Reihenfolge gleich, nur die Durchführung ist von Pflegeperson zu Pflegeperson unterschiedlich.

 

Was meine ich damit? Einfach erklärt werden kann das am Beispiel des Blasenverweilkatheters legen. Hierfür benötigst du unter anderem ein Katheterset, dass sterile Tupfer und zwei sterile Pinzetten beinhaltet. Für das Katheter legen benötigst du auch noch sterile Handschuhe.

 

Ein Teil der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekräfte reinigt mit der ersten Pinzette und den sterilen Tupfern die Geschlechtsorgane und führt anschließend den Katheter steril mit der zweiten vorhandenen Pinzette ein. Der andere Teil der Pflegekräfte verwendet die erste Pinzette zum Reinigen, führt den Katheter allerdings dann mit der Hand ein, da du ja sowieso sterile Handschuhe anhast. Bei dieser Tätigkeit ist der Ablauf also gleich, du führst sie aber so durch, wie es für dich am einfachsten und am liebsten ist.

 

Das sind Gründe, warum sich Theorie und Praxis unterscheiden

A nurse with IV drip and patient in bed in hospital

 

Wieso unterscheiden sich Theorie und Praxis eigentlich? Oft werden die Pflegehandlungen, bedingt durch Zeitstress, anders ausgeführt, als man in der Ausbildung vermittelt bekommen hat.

 

Das kann ich dir wieder perfekt an einem Beispiel erklären. Stell dir vor, du hast 30 Patienten auf deiner Station liegen, die alle eine, manche vielleicht sogar zwei Infusionen bekommen. Im Unterricht lernst du, dass jede Infusion zeitnah vorbereitet werden muss, dass heißt, dass das Medikament unmittelbar vor Verabreichung in der Infusion aufgelöst werden muss. Danach sollst du zur Patientin oder zum Patienten ins Zimmer gehen, dich an ihr oder sein Bett stellen und dort dann die Infusion spiegeln.

 

Was bedeutet Infusionen spiegeln? Das heißt, dass du die Infusion, bevor du sie an den Patienten anhängst, aufdrehst und laufen lässt, damit der Infusionsschlauch mit Flüssigkeit gespült ist und keine Luft darin bleibt. Danach hängst du die Infusion an.

 

Nun hast du das alles erledigt und merkst, dass das zeitlich ein ziemlicher Aufwand ist. Und dann sollst du das für alle 30 Patientinnen und Patienten so machen? Würde es nicht viel einfacher und schneller gehen, alle Infusionen auf einmal herzurichten, zu spiegeln und dann in die Patientenzimmer zu verteilen?

 

Die Antwort lautet klar: Ja. Und genauso sieht es auch in der Pflegepraxis aus. So spart man sich enorm viel Zeit, die man, aufgrund von mangelnden Pflegepersonal, ja bereits zu wenig hat.

 

Ein weiterer Grund, warum viele Pflegetätigkeiten in der Praxis anders aussehen, ist, dass sich im Laufe der Jahre Handlungsschritte verändert haben und jeder etwas auf eine unterschiedliche Art und Weise lernt. Du kannst dir darunter nichts vorstellen? Dann habe ich hier wieder ein Beispiel für dich.

 

Stell dir vor, du hast eine Diabetikerin oder einen Diabetiker auf der Station. Aufgrund dieser Zuckerkrankheit musst du regelmäßig den Blutzucker dieser Patientinnen und Patienten messen, um ihn im Normbereich zu halten und gegebenenfalls mittels Insulin oder Traubezucker auszubessern.

 

Das Blutzuckermessen läuft folgendermaßen ab: zuerst desinfizierst du den Finger der Patientin oder des Patienten, lässt das Desinfektionsmittel 30 Sekunden einwirken, dann stichst du sie oder ihn mit der Nadel und gibst dann einen Tropfen Blut auf das Messgerät.

 

Als erstes wirst du sehen, dass nicht jeder die 30 Sekunden Einwirkzeit beachtet, da es manchen einfach zu lange dauert. Zudem unterscheiden sich auch die Vorgehensweisen, sobald du die Patienten mit der Nadel gestochen hast: muss man den ersten Tropfen Blut wegwischen, oder kann man diesen bereits auf das Messgerät geben?

 

Ich habe in meinem Pflegestudium gelernt, dass ich den ersten Tropfen Blut bereits auf das Blättchen des Messgeräts geben kann. Anderen Studierenden wurde hingegen beigebracht, dass man den ersten Bluttropfen sehr wohl wegwischen muss. Diese unterschiedlichen Lehrweisen wurden innerhalb eines Jahres geändert.

 

Doch warum ändern sich solche Handlungsabläufe? Grund dafür sind wissenschaftliche Studien.

 

Die Pflegeforschung beschäftigt sich damit, wie Pflegetätigkeiten am sinnvollsten und erfolgreichsten ablaufen. Wenn eine neue Erkenntnis, die wissenschaftlich fundiert ist, gewonnen wurde, dann wird das im Lehrplan berücksichtigt. Dadurch kannst du in der Pflegepraxis sehr gut erkennen, wie und wann jemand etwas gelernt hat.

 

Krankenschwestern bereiten sich auf medizinische Eingriffe auf der Krankenhausstation vor

 

Zudem könnte ein weiterer Grund für geänderte Abläufe die weiten Wege sein, die oftmals zurückgelegt werden müssen, um den exakten theoretischen Ablauf einhalten zu können. Was meine ich damit nun? Nun widmen wir uns dem An- und Abhängen von Infusionen an einem zentralvenösen Katheter.

 

Was ist ein ZVK (zentralvenöser Katheter)?

 

Ein ZVK ist ein Zugang mit einem Kunststoffschlauch, der in eine Vene am Hals eingeführt wird. Der Kunststoffschlauch ist so lang, dass er in die obere Hohlvene und anschließend in den rechten Vorhof des Herzens mündet. Da der ZVK einen direkten Weg zum Herzen bietet, ist starke Vorsicht geboten.

 

Der Anschluss, an dem die Infusion angehängt werden soll, muss auf alle Fälle steril bleiben. Im praktischen Unterricht lernt man deshalb, dass man bei jedem Infusionswechsel einen sterilen Tupfer mit Desinfektionsmittel unter den Anschluss hält.

 

In der Praxis sind sterile Tupfer oftmals nicht in den Patientinnen- und Patientenzimmern vorhanden, weshalb oftmals Pflegepersonen den Infusionswechsel durchführen, ohne sterile Tupfer darunter zu halten, da sie ansonsten immer wieder extra welche holen müssten. Viele begründen das damit, dass sie sehr vorsichtig seien und aufpassen, dass der Anschluss nichts berührt. Andere wiederum haben es in ihrer Pflegeschule ohne sterile Tupfer gelernt.

 

Weiters kann es sein, dass viele Pflegerinnen und Pfleger Ressourcen sparen wollen, da ohnehin schon extrem viel Material verbraucht wird. Wenn du beispielsweise einen Verbandswechsel machst, lernst du im Unterricht, dass du zum Reinigen der Wunde eine sterile Pinzette benötigst, mit der du die sterilen Tupfer an der Wunde anbringst.

 

In der Pflegepraxis sieht das ganz anders aus. Da wird die sogenannte „Non-Touch-Technik“ angewendet.

 

Was bedeutet „Non-Touch-Technik“? Wie der Name bereits sagt, bedeutet dass, das die Wunde so mit den sterilen Tupfern gereinigt wird, dass keine Bakterien hineinkommen. Dazu werden die Tupfer meist an den Ecken angegriffen, die die Wunde sowieso nicht berühren. Die Mitte der Tupfer ist allerdings noch steril, da du sie nicht berührt hast, und so werden sie über die Wunde gegeben und die Wunde wird dadurch gereinigt. So sparst du dir beim Durchführen dieser Tätigkeit eine sterile Pinzette, die dann nicht weggeworfen oder wieder neu aufbereitet werden muss.

 

Manche Handlungen werden auch mit der Zeit schlampiger durchgeführt. Hier zeige ich dir das Beispiel des Blutabnehmens auf.

 

Man lernt in der Ausbildung, dass man die Vene stauen, tasten und dann wieder entstauen soll. Danach desinfizierst du die Stelle, wo sich die Vene befindet und in die du hineinstechen willst. Dann ziehst du dir Handschuhe an, staust die Vene wieder und stichst hinein, um Blut abzunehmen.

 

Wenn du dich in einem Krankenhaus befindest, kannst du oft sehen, dass die Pflegepersonen zwar alle Handlungsschritte so einhalten, sich allerdings keine Handschuhe anziehen. Die Handschuhe dienen in diesem Fall nur als Selbstschutz für die Pflegerinnen und Pfleger. Da es viele umständlich finden, extra Handschuhe anzuziehen, lassen sie sie einfach weg. Die Patientinnen und Patienten haben dadurch keinen Nachteil, allerdings könnte sich die Pflegeperson an den Händen mit Blut kontaminieren.

 

Welche Tätigkeiten werden von der Theorie in die Praxis übernommen?

Gibt es nun etwas, dass in der Theorie und in der Praxis genau gleich aussieht? Im Grunde sind es bei allen Pflegehandlungen die Abläufe, die immer gleich aussehen. Manche wurden im Laufe der Jahre modifiziert, wobei das allerdings meist nur Kleinigkeiten waren, sodass der Grundstock immer gleichblieb.

 

Beispielsweise kann man hier das Geben eines Einlaufs heranziehen. Die Grundschritte sind, dass man etwas gleitfähiges auf das Darmrohr gibt, dieses dann in den After mit leichten Drehbewegungen einschiebt und anschließend Stuhlauflösende Flüssigkeiten, wie zum Beispiel Klysmol, hineindrückt.

 

Dieser Handlungsablauf ist bei jedem gleich, allerdings wendet ihn jeder unterschiedlich an. Für das gleitfähige Mittel nehmen die einen Vaseline, die anderen ein Gleitgel. Hier kommt es nur drauf an, dass es gut und ohne zu reizen in den After eingeführt werden kann. Was man verwendet, kann jeder individuell entscheiden.

 

Krankenschwester verbindet intravenösen Tropf im Krankenzimmer

 

Was ebenfalls in jedem Bereich der Pflege gleich durchgeführt wird, ist die Patientenidentifikation vor der Gabe eines Medikaments. Was meine ich damit? Stell dir vor, du bist eine staatlich geprüfte Pflegekraft und verabreichst deiner Patientin oder deinem Patienten ein Medikament, egal in welcher Form. Wie weißt du nun sicher, ob es sich bei der Person vor dir um die richtige Patientin oder den richtigen Patienten handelt?

 

Auf jedem Medikament, das verabreicht werden soll, stehen der Name, das Geburtsdatum, der Zeitpunkt der Gabe und im Krankenhaus auch die Zimmernummer drauf. Vor der Verabreichung fragst du nun den die Patientin oder den Patienten nach seinem Geburtsdatum und seinem Vornamen. Dadurch kannst du sicher gehen, dass es sich um die richtige Person handelt und dass keine Verwechslungen passieren.

 

Noras Tipp

Lächelnde Nora

 

In nahezu allen Fällen kann man sich auf die Pflegepersonen verlassen, dass das, was sie tun,


das richtig ist. Nur weil zwei Pflegekräfte eine unterschiedliche Herangehensweise haben, heißt es nicht, dass das eine falsch oder das andere richtig ist.

 

Wie ich bereits erwähnt habe, kommt es eben oft darauf an, wie eine Pflegerin oder ein Pfleger die Pflegehandlungen gelernt hat. Falls du dennoch unsicher bist, kannst du auch direkt bei der Pflegeperson nachfragen, warum sie eine Tätigkeit auf diese Art und Weise ausführt. Die Pflegerin oder der Pfleger wird dir dann ihre oder seine Handlungsschritte erklären und begründen, warum sie oder er das so machen.

 

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Alles Liebe, Nora