Altersarmut: Diskriminierung der Frau in der Pflege
Was gäbe ich manchmal dafür, ein Mann zu sein. Mit diesem Gedanken ist die 42-jährige Johanna nicht allein. Obwohl in den letzten Jahrzehnten in der Gleichbehandlung von Frau und Mann viele Fortschritte gemacht wurden, kann von Gleichberechtigung noch lange nicht die Rede sein. Pflegekräfte leisten Tag für Tag Außergewöhnliches. Doch nicht jede Pflegekraft wird gleich behandelt. Besonders Frauen erleben im Pflegeberuf systematische Benachteiligung. Ob bei der Bezahlung, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder der Altersabsicherung: Diskriminierung in der Pflege ist real – und sie ist tief verankert.
In diesem Artikel erfährst Du, was Diskriminierung in der Pflege genau bedeutet, wer besonders betroffen ist, welche Rechte Betroffene haben, was Du selbst tun kannst und wie Pflege fairer werden kann. noracares setzt sich dafür ein, dass jede Pflegekraft fair behandelt wird und Familien die optimale Unterstützung finden, die sie benötigen.
Was ist Diskriminierung in der Pflege?
Diskriminierung in der Pflege liegt vor, wenn Pflegekräfte oder Patient:innen aufgrund persönlicher Merkmale wie Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, Sprache oder Teilzeitstatus benachteiligt, abgewertet oder ausgeschlossen werden – sei es durch Kolleg:innen, Vorgesetzte oder Strukturen im Pflegealltag. Diese Benachteiligung kann offen oder subtil, strukturell oder individuell erfolgen – sie verletzt die Menschenwürde und mindert die Qualität der Versorgung.
Formen der Diskriminierung in der Pflege
Diskriminierung kann viele Gesichter haben und sich im Pflegealltag auf unterschiedliche Weise zeigen. Es ist wichtig, diese Formen zu erkennen, um aktiv dagegen vorgehen zu können.
Wie Professorin Dr. Miriam Tariba Richter von Bibliomed Pflege betont: „Rassistische Diskriminierung zeigt sich häufig in subtiler Form – durch abwertende Blicke, ausschließendes Verhalten oder fehlende Wertschätzung fachlicher Kompetenz.“ (Quelle: Bibliomed Pflege, Artikel: Diskriminierung vorbeugen, 25.05.2022)
Wer ist besonders betroffen?
Obwohl Diskriminierung viele Menschen treffen kann, gibt es in der Pflege bestimmte Gruppen, die besonders häufig von Benachteiligung betroffen sind.
Frauen im Pflegeberuf
Frauen stellen den Großteil des Pflegepersonals in Österreich und Deutschland. Dennoch sind sie überdurchschnittlich oft in Teilzeit beschäftigt, schlechter bezahlt und kaum in Führungspositionen vertreten. Dies hat weitreichende Folgen für ihre Karrierechancen und ihre Altersabsicherung.
„Die weibliche Teilzeitquote ist fast fünfmal so hoch wie die der Männer. Frauen leisten im Schnitt viermal so viel Erziehungsarbeit und Pflege von Angehörigen wie Männer, was zu geringeren Lebenserwerbseinkommen und sozialer Absicherung führt.“ (Quelle: Caritas Pflege, NGO-Dialog 2022, Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung (bmfwf.gv.at))
Pflegekräfte mit Migrationshintergrund
Pflegekräfte mit internationaler Herkunft sind eine tragende Säule des Pflegesystems in Österreich und Deutschland. Dennoch erleben viele von ihnen Ablehnung durch Kolleg:innen oder Patient:innen, Vorurteile wegen Akzent oder Herkunft – oft eine Form struktureller Ausgrenzung. Wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes festhält: „Auch im Gesundheits- und Pflegesektor erleben Menschen Diskriminierung – etwa weil sie einer bestimmten Religion angehören, eine Behinderung haben oder nicht fließend Deutsch sprechen.“ (Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes – Lebensbereiche > Gesundheit und Pflege)
Teilzeit- und Alleinerziehende
Wer nicht "voll einsetzbar" ist, weil familiäre Verpflichtungen (Kindererziehung, Pflege von Angehörigen) Teilzeitmodelle notwendig machen, hat oft schlechtere Chancen auf Karriere, Mitbestimmung und Weiterbildungen. Dies betrifft in der Pflege überproportional Frauen.
Reale Fallbeispiele: Johanna
Johanna (42) arbeitet in der stationären Pflege und ist alleinerziehende Mutter. Ihre Geschichte ist exemplarisch für viele Frauen im Pflegeberuf. Die Frage nach dem Kinderwunsch beim Bewerbungsgespräch hatte Johanna einst unglaublich eingeschüchtert; sie wollte keine Kinder aus Angst um ihren Job. Doch das Schicksal machte ihr einen Strich durch die Rechnung: Plötzlich war sie schwanger. Heute ist sie stolze Mutter einer Tochter, auch wenn es viele Jahre gedauert hat, bis sie diese Einstellung fand.
Nach der Geburt ihrer Tochter konnte Johanna sich nicht vorstellen, sofort wieder komplett in die Arbeitswelt einzutauchen und ganztags zu arbeiten. Das Geld eines Teilzeit-Jobs wäre jedoch zu knapp gewesen, hätte der Vater ihrer Tochter nicht regelmäßig Alimente gezahlt. Als ihre Tochter 2 Jahre alt war, begann Johanna letztlich wieder Vollzeit zu arbeiten. Nun stimmte zwar das Geld wieder, jedoch musste sie bei der Familie Abstriche machen.
Die Vereinbarung von Beruf und Familie ist für Johanna eine tägliche Hürde. Wenn eine Kollegin oder ein Kollege krank wird, ist die Chance hoch, dass sie einspringen muss. Neben der bescheidenen Bezahlung ist auch die mangelnde Wertschätzung für sie und viele Pflegende ein großes Thema. Denn die berufliche Anstrengung ist nicht nur körperlich, sondern vor allem auch psychisch. Neben den üblichen Pflegetätigkeiten gehört auch der Austausch mit Angehörigen dazu. Ebenso begleiten Pflegende viele Menschen bis in den Tod. Mit der Zeit würde man abgehärtet, doch ganz unberührt ginge es nicht an ihr vorüber.
„Manchmal rufe ich meine Tochter in der Pause an, um ihr Gute Nacht zu sagen. Ich wäre lieber bei ihr, aber am Arbeitsplatz werde ich dringender gebraucht.“
Ursachen für Diskriminierung
Diskriminierung ist selten nur die Schuld Einzelner, sondern oft in tiefer liegenden Strukturen und Gewohnheiten eines Systems begründet.
Deine Rechte als Pflegekraft
Pflegekräfte sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland und vergleichbare Gesetze wie das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) in Österreich geschützt. Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, sexueller Identität oder Behinderung ist verboten.
Du darfst NICHT benachteiligt werden bei:
- Schichtvergabe oder Einsatzplanung
- Bewerbung oder Beförderung
- Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen
- Elternzeit oder Teilzeitbeschäftigung
- Gehalt oder Arbeitsbedingungen
Was Du tun kannst, wenn Du betroffen bist
Wenn Du Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebst, ist es entscheidend, aktiv zu werden. Du bist nicht allein!
Diskriminierung in Zahlen: Die finanzielle Realität
Die Diskriminierung zeigt sich nicht nur in der Arbeitsorganisation, sondern auch in den Zahlen, insbesondere im Hinblick auf die Altersarmut von Frauen.
Verdienstunterschiede und Pensionslücken:
Über alle Gehaltsstufen hinweg verdienen Frauen in Österreich und Deutschland durchschnittlich rund 20 Prozent weniger als Männer. Diese Benachteiligung bekommen sie über ihr ganzes Berufsleben hinweg zu spüren. Nicht nur beim Geschlecht einer Einzelperson findet Diskriminierung in der Bezahlung statt, sondern auch eine starke Unterscheidung bei sogenannten „typischen Männer- und Frauenberufen“. Je mehr Frauen in einem Beruf arbeiten, desto schlechter wird dieser bezahlt. Die Pflege ist hier ein klassisches Beispiel eines "weiblichen" Berufs mit vergleichsweise niedriger Bezahlung.
Unbezahlte Arbeit und geringe Pensionsanrechnung:
Zudem sollen Frauen neben dem Beruf noch andere Tätigkeiten abseits vom Arbeitsplatz unter einen Hut bringen. Haushalt, Kindererziehung und unbezahlte Pflege eines Angehörigen oder einer Angehörigen sind immer noch großteils Frauensache. Insgesamt sind 64 Prozent der gesamten von einer Frau geleisteten Arbeitszeit unbezahlt. Für die Kindererziehung wird lediglich 28 Euro als monatliche Pensionsleistung für die Pension angerechnet. Bleibt eine Frau bis zum Kindergartenalter bei ihren Kindern Zuhause (also drei Jahre), bekäme sie in der Person monatlich läppische 84 Euro.
Altersarmut als trauriger Höhepunkt der Diskriminierung:
Wenn Frau schon ihr ganzes Berufsleben lang den Kürzeren zieht, Karrierechancen verpasst und Arbeitszeit durch den Kinderwunsch verliert, bleibt zu wünschen, dass die Gleichbehandlung im Alter an Stellenwert gewinnt. Doch auch vor alten, pflegebedürftigen Frauen, die ihr ganzes Leben nichts anderes getan haben, als zu arbeiten, macht die Diskriminierung nicht Halt. Der Zenit der Benachteiligung ist nämlich im Alter erreicht.
(Quelle: Statistik Austria / Caritas / Sozialministerium)
Aufgrund der niedrigen Einkünfte und Teilzeitarbeit im Laufe ihres Lebens sind die Pensionen der Frauen durchschnittlich um 42 Prozent niedriger. Im Jahr 2017 bezogen rund 218.000 Frauen in Österreich Pflegegeld. Bei den Männern waren es halb so viele. Dennoch sind die Pensionen der Männer meist um ungefähr 500 Euro höher als bei Frauen – und das, obwohl Frauen durchschnittlich eine um vier Jahre höhere Lebenserwartung haben. Aus diesem Grund ist Altersarmut vor allem bei Frauen keine Seltenheit mehr. Johanna hat Angst davor, gesteht sie. Doch viel mehr Angst habe sie davor, dass ihre Tochter ebenfalls unter der Diskriminierung von Frauen in der Gesellschaft leiden werde.
Unser Beitrag: Pflege fair machen
noracares ist sich dieser Missstände bewusst und sie sind uns nicht egal. Wir setzen uns aktiv für eine faire Pflege ein und möchten Benachteiligung abbauen. Wir wollen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern stärken und die Diskriminierung von Frauen stoppen.
Pflege darf keine Frage von Herkunft, Geschlecht oder Status sein.
- Wir möchten Pflege für jeden leistbar machen und den Pflegemarkt revolutionieren, indem wir Pflegekräfte stärken und Familien eine zuverlässige Versorgung zu transparenten Bedingungen bieten.
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Wie Studien zeigen, kann Diskriminierung dazu führen, dass Pflegefachpersonen ihren Beruf verlassen oder nicht ihr volles Potenzial entfalten können (Quelle: Miriam Tariba Richter, Hogrefe eContent, 2024). Dem wollen wir entgegenwirken.
Vergleich: Diskriminierungsprävention – Gute vs. Schlechte Praxis
Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen und jeder Institution, Diskriminierung aktiv zu bekämpfen. Hier ein Vergleich von guter und schlechter Praxis:
Registriere Dich jetzt und finde Deine Pflegekraft zum fairen Preis! noracares ist eine Plattform, wo Pflegekräfte passende Jobs finden und direkt mit Familien sprechen können, um deren Angehörige zu pflegen. Familien finden hier Pflegekräfte, die sie benötigen.
Die Diskriminierung der Frau in der Pflege ist eine tief verwurzelte Ungerechtigkeit, die sich durch das gesamte Berufsleben zieht und in der Altersarmut ihren traurigen Höhepunkt findet. Johannas Geschichte steht stellvertretend für viele Frauen, die täglich Außergewöhnliches leisten, aber oft nicht die Wertschätzung und fairen Bedingungen erhalten, die sie verdienen.
Doch es ist nicht aussichtslos. Du musst diesen Weg nicht allein gehen! Es gibt gesetzliche Rechte, Anlaufstellen und Organisationen, die Dich unterstützen. Wir von noracares sind überzeugt: Eine gerechtere Pflegebranche ist möglich. Eine Pflege, die auf Wertschätzung, Gleichbehandlung und fairen Bedingungen basiert. Nur so kann der Pflegeberuf attraktiv bleiben und alle Pflegebedürftigen die Versorgung erhalten, die sie verdienen.
Unser Tipp: Sei mutig, informiere Dich über Deine Rechte und suche Unterstützung, wenn Du Diskriminierung erfährst. Gemeinsam können wir für eine fairere Zukunft in der Pflege kämpfen.
- AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz): Ein deutsches Gesetz, das Diskriminierung aus verschiedenen Gründen (z.B. Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung) am Arbeitsplatz und in anderen Lebensbereichen verbietet.
- Altersarmut: Eine Form der Armut, die im Alter auftritt, wenn die Renten- oder Pensionseinkommen nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu decken. Betrifft Frauen aufgrund ihrer Erwerbsbiografien oft stärker.
- Arbeiterkammer (AK): Eine gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer:innen in Österreich, die Beratung und Unterstützung in arbeitsrechtlichen und sozialen Fragen anbietet.
- Diskriminierung: Die Benachteiligung oder Abwertung von Personen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale (z.B. Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, sexuelle Orientierung). Kann direkt, indirekt oder strukturell erfolgen.
- Gleichbehandlungsanwaltschaft (GlBG): Eine österreichische Institution, die sich für die Einhaltung des Gleichbehandlungsgesetzes einsetzt und Betroffene von Diskriminierung berät und unterstützt.
- Gleichstellungsbeauftragte:r: Eine Person in Unternehmen oder Institutionen, die sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzt und Ansprechpartner:in bei Diskriminierung ist.
- Migrant:innen: Personen, die ihren Wohnsitz von einem Land oder einer Region in ein anderes Land oder eine andere Region verlegt haben. Im Kontext der Pflege oft Pflegekräfte, die aus dem Ausland kommen.
- NGO (Non-Governmental Organization): Nichtregierungsorganisation. Gemeinnützige Organisationen, die unabhängig von staatlichen Strukturen agieren und sich für soziale, ökologische oder humanitäre Ziele einsetzen (z.B. Caritas).
- Pensionslücke (Gender Pension Gap): Der prozentuale Unterschied zwischen den durchschnittlichen Pensionen von Männern und Frauen, der oft durch geringere Erwerbseinkommen und längere Unterbrechungen der Frauenerwerbstätigkeit entsteht.
- Pflegereform: Umfassende politische und gesellschaftliche Maßnahmen zur Neugestaltung des Pflegesystems, oft mit dem Ziel, die Qualität der Pflege zu verbessern, Personalmangel zu beheben und Finanzierungsprobleme zu lösen.
- Teilzeitquote: Der Anteil der Arbeitnehmer:innen, die in Teilzeit arbeiten, an der Gesamtzahl der Beschäftigten. Bei Frauen in vielen Berufen deutlich höher als bei Männern.
- Unbezahlte Arbeit: Tätigkeiten wie Haushalt, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, die keinen direkten finanziellen Lohn nach sich ziehen, aber einen hohen gesellschaftlichen Wert haben und überwiegend von Frauen geleistet werden.
- Volksschullehrkraft: Die Berufsbezeichnung für eine:n Lehrer:in an einer Grundschule (in Österreich: Volksschule).