Wie geht es den pflegenden Angehörigen?

Die Gesundheit und das Wohlbefinden von Pflegebedürftigen steht im österreichischen Pflegesystem an erster Stelle. Aus diesem Grund überlassen viele die Pflege ihrer Liebsten nicht dem Zufall und auch keinen fremden Händen. Doch viel zu selten stellt man sich die Frage: Wie geht es pflegenden Angehörigen eigentlich?

 

Eine Mehrgenerationenfamilie, einschließlich eines Senioren mit einem Rollator, eines Mannes mittleren Alters und eines Kindes, die gemeinsam auf einem Waldweg im Herbst spazieren gehen.

 

Martha, ist eine 68-jährige, glücklich verheiratete Pensionistin, die seit Beginn des Jahres erste Symptome von Demenz erkennen lässt. Sie und ihre Tochter Sabine sind sich einig – ab jetzt benötigt sie Unterstützung im Alltag. 

 

Dies stellt Sabine vor eine schwierige Frage. Als kinderlose Bankkauffrau musste sie sich bis dato noch nie der Pflege eines anderen Menschen annehmen. Ihr Mann rät ihr dazu, sich nach einer geeigneten Pflegeagentur umzusehen. 

 

Doch Sabine ist entschlossen: Im Beruf hat sie es tagtäglich mit habgierigen Geschäftsleuten zu tun, von Solidarität und Nächstenliebe ist meistens nicht viel zu erkennen. 

 

In der Pflege ihrer Mutter hingegen sieht sie einen Sinn für sich selbst und natürlich auch für Martha. Sie möchte selbst die Pflege übernehmen. Doch Sabine bemerkt schnell, dass ihr guter Wille hier nicht ausreicht. 

 

Wie viele andere stellt sie fest, dass der Pflegeberuf ein hartes Pflaster sein kann. Sie hat keinerlei Erfahrung und ist überfordert. Damit ist sie nicht alleine. Rund die Hälfte aller pflegenden Angehörigen in Österreich spüren durch ihre tagtäglichen Aufgaben eine große Belastung.

 

Mehrgenerationenfamilie auf einer Wiese, bei der ein junger Mann und ein Kind ihrer Großmutter fröhlich helfen, die einen Gehwagen benutzt.

 

Wie geht es pflegenden Angehörigen?

Mit der Entscheidung, die Pflege von Martha zu übernehmen, schließt sich Sabine der allgemeinen Tendenz in der österreichischen Pflegelandschaft an. Laut einer Studie aus 2018 gibt es rund 950.000 Erwachsene, die zum Teil oder sogar zur Gänze die Pflege von Angehörigen übernehmen. Davon sind 73% weiblich und das Durchschnittsalter liegt knapp über 60 Jahren. 

 

Besorgniserregend dabei ist der subjektive Gesundheitszustand, der ermittelt wurde, also die Selbsteinschätzung der persönlichen und sozialen Dimensionen des eigenen Befindens. Dieser ergab, dass die befragten pflegenden Angehörigen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einen deutlich schlechteren Zustand aufweisen.

 

Herausforderungen für pflegende Angehörige in Österreich

Belastung, Überforderung, innere Unruhe und Einsamkeitsgefühle sind vier der häufigsten Sorgen der Pflegenden. Insgesamt gaben 48% an, sich stark oder sehr stark belastet zu fühlen. Faktoren wie Demenz, Bettlägerigkeit und eine höhere Pflegegeldstufe verstärken die subjektive Belastung.

 

Die Studie ergab jedoch auch, dass die Pflege von Angehörigen auch sehr positive Aspekte mit sich bringt. Allen voran das starke Verbundenheitsgefühl mit den zu pflegenden Angehörigen und die intensivere Beziehung machen die negativen Faktoren für viele vertretbar. 

 

Zudem nutzen es viele als Chance, vor allem den Eltern wieder etwas für die Pflege, die sie als Kind erhalten haben, zurückzugeben.

 

Nahaufnahme von Händen, die die Hände einer älteren Person halten, die Wärme und Mitgefühl vermitteln.

 

Was wünschen sich pflegende Angehörige in Österreich?

Die Pflege durch Angehörige ist eine der Hauptsäulen der Pflege. Durch den hohen Stellenwert, den sie in Österreich einnimmt, wird diese automatisch vom innerfamiliären zum gesellschaftlichen Thema. 

 

Dies bedeutet, dass Familien auf die Hilfe und Unterstützung des Staates und von karitativen Organisationen angewiesen sind. Obwohl die finanzielle Unterstützung die wichtigste Perspektive der Hilfsmaßnahmen ist, gehen die vielfältigen Leistungen doch weit darüber hinaus.

 

Unterstützung für pflegende Angehörige in Österreich

Mit einem erneuten Zurückgriff auf die oben angeführte Studie zeigt sich, dass pflegende Angehörige sehr konkrete Wünsche und Bedürfnisse äußern, wie sich diese Unterstützung zeigen soll. 

 

Die drei wichtigsten Bedürfnisse sind die finanzielle Unterstützung, Hilfe bei der Bewältigung des täglichen Pflegealltags sowie die Möglichkeit, sich auch eine Auszeit nehmen zu können. Diese Unterstützung ist besonders wichtig, wenn die Pflege verhindert ist, etwa aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub, oder sonstigen Gründen.

 

Diese Bedürfnisse gehen mit einem zentralen Wunsch einher. Pflegende Angehörige wünschen sich allen voran eine höhere Wahrnehmung von außen. Die Öffentlichkeit soll sie als zentrale Gruppe des Pflegesystems wahrnehmen, wertschätzen und stärken. 

 

Zudem soll auch die Herausforderung, die insbesondere durch Demenz entsteht und die damit einhergehende Belastung für pflegende Angehörige stärker wahrgenommen und im Blick behalten werden. Auch pflegebedürftige Kinder sollten stärker in den Fokus gerückt werden.

 

Zudem wünschen sich pflegebedürftige Angehörige mehr Transparenz. Mehr Information zu Angebot und Finanzierungen und mehr Beratung. Diese soll problemzentriert, proaktiv und vor allem zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen.

 

Nicht zuletzt ist eine hohe Flexibilität in vielen Aspekten der Pflege sehr wichtig. Pflege richtet sich nach keinem Zeitplan. Daher ist es umso wichtiger, dass das vorhandene Angebot eine ähnliche Flexibilität aufweist. 

 

Angehörige wünschen sich, die Angebotsvielfalt auch kurzfristig und auch nur stundenweise in Anspruch nehmen zu können. Ebenso sollten Pflegekräfte in Akutfällen zur Verfügung stehen und das Angebot an professioneller oder privater Ersatzpflege ausgebaut werden.
 

 

Person steht vor zwei Pfeilen auf dem Boden mit den Beschriftungen 'Wünsche' und 'Bedürfnisse'

 

Beruf und Pflege

Flexibilität ist nicht nur in Hinblick auf die Angebotsvielfalt relevant. Möchte man den eigenen Beruf und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen, ist eine entsprechende Flexibilität seitens des Arbeitsgebers notwendig. In diesem Hinblick gibt es bereits eine Reihe von Möglichkeiten, die der Arbeitnehmer in Anspruch nehmen kann. 

 

Im Beitrag „Was tun, wenn meine Pflegekraft ausfällt“, wurden diese Optionen bereits im Detail erläutert. Hier folgt lediglich eine Übersicht:

 

Pflegekarenz und Pflegeteilzeit sind die wohl bekanntesten Maßnahmen. Zusammengefasst handelt es sich hierbei um Überbrückungsmaßnahmen, die seitens des Arbeitnehmers bei Bedarf in Anspruch genommen werden können. 

 

Diese können beansprucht werden, sofern zumindest Pflegegeld der Stufe 3 bezogen wird (bei Vorliegen von Demenz: Stufe 1). Zudem muss die Anstellung beim entsprechenden Arbeitgeber bereits seit mindestens 3 Monaten ohne Unterbrechung bestehen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, sich im Bereich Pflege und Betreuung gut auszukennen.

 

Zudem gibt es noch die Pflegefreistellung. Nimmt man diese in Anspruch, ist man bis zu einer Woche von der Arbeit freigestellt und bezieht weiterhin dasselbe Gehalt. Voraussetzung ist jedoch, dass man mit der pflegebedürftigen Person den gleichen Haushalt teilt und diese durch keine andere Person gepflegt werden kann.

 

Hände unterschiedlicher Größen halten eine Papier-Familienfigur, die Schutz und Unterstützung symbolisiert.

 

Möglichkeiten zur Auszeit

Wie bereits oben erwähnt, ist ein weiteres wichtiges Bedürfnis pflegender Angehöriger in Österreich, sich von Zeit zu Zeit eine wohlverdiente Auszeit zu gönnen. Dies wird durch verschiedene Unterstützungen und Angebote erleichtert, die speziell auf die Bedürfnisse pflegender Angehöriger in Österreich zugeschnitten sind.

 

Tagesbetreuung und -zentren

In Tageszentren haben pflegebedürftige Personen die Möglichkeit, bis zu fünf Tage in der Woche betreut zu werden. Während alle Zentren mit den notwendigen pflegerischen Maßnahmen ausgestattet sind, gibt es auch einige Zentren, die sich auf spezielle Bedürfnisse wie beispielsweise Demenz spezialisieren. 

 

Alleine in Oberösterreich stehen in etwa 200 Plätze zur Tagesbetreuung zur Verfügung. Leider steht diese Option nicht für bettlägerige Menschen zur Verfügung. Auch die Betreuung über Nacht ist nicht möglich. Näheres zu Tageszentren kann ebenso im Beitrag „Was tun, wenn meine Pflegekraft ausfällt“ nachgelesen werden.

 

Kurzzeitpflege

Neben der Option, diese nach einem Krankenhausaufenthalt wahrzunehmen, ist die Kurzzeitpflege eine ideale Möglichkeit zur Entlastung von Pflegenden. Um diese leistbarer zu machen bietet beispielsweise das Sozialministerium finanzielle Unterstützung. Folgende Kriterien müssen hierfür erfüllt werden:

 

Die Person pflegt seit mindestens einem Jahr überwiegend einen nahen Angehörigen mit mindestens Pflegegrad 3, eine nachweislich demente Person mit mindestens Pflegegrad 1 oder ein minderjähriges Kind.

 

  • Das Nettoeinkommen darf 2.000 Euro nicht überschreiten (Pflegegeldstufe 1) bzw. 2.500 Euro bei Stufe 6-7

  • Ersatzpflege wird für mindestens einer Woche in Anspruch genommen – bei Demenz bereits ab 4 Tagen

     

Die genauen Voraussetzungen sowie die Höhe der Zuschüsse kann der Website des Sozialministeriums entnommen werden. Hier kann auch der Online-Antrag gestellt werden.

 

Das nötige Know-How

Um die Pflege eines Angehörigen stemmen zu können, ist neben dem Willen und den finanziellen Mitteln, aber vor allem eines wichtig: Das Know-How zur Pflegetätigkeit selbst. Viele Menschen, wie Sabine, sind vorher noch nie oder nur limitiert mit dem Thema Pflege in Berührung gekommen. Und nun vollständig die Pflege für eine Person übernehmen? 

 

Das geht nicht über Nacht. Immerhin absolvieren Gesundheits- und Krankenpfleger eine umfangreiche, mehrjährige Ausbildung, um sich für die Pflegeaufgabe zu qualifizieren. Aus diesem Grund wird vor allem durch Non-Profit Organisationen wie die Caritas und das Österreichische Rote Kreuz Unterstützung angeboten.

 

Pflegekurse

 

Eine Person mit behandschuhten Händen legt vorsichtig einen Verband um das Handgelenk einer anderen Person.

 

Um Qualität in der Pflege durch Angehörige zu gewährleisten, haben diese die Möglichkeit, Pflegekurse zu besuchen. Diese werden von der Volkshilfe sowie dem roten Kreuz angeboten und vermitteln Angehörigen fachmännische Information in Theorie und Praxis

 

Neben der Vermittlung von Wissen werden im Zuge dieser Kurse auch diverse mentale

 

und zwischenmenschliche Probleme angesprochen. Hierbei geht es beispielsweise um Selbstschutz und Abgrenzung und Motivation angesprochen. Auch Aggression und Frustration werden thematisiert und im Austausch mit Gleichgesinnten besprochen. Dies kann wesentlich zur Erhaltung und Verbesserung der emotionalen Gesundheit der Pflegenden beitragen.

 

Zusätzliche Angebote

Insbesondere die Caritas setzt sich für die Entlastung pflegender Angehöriger in Österreich ein und bietet eine Reihe von Möglichkeiten an, unter anderem:

 

  • Seminare und Vorträge zu diversen Themen rund um die Pflege

  • Beratung in Einzelgesprächen, um individuelle Bedürfnisse besser zu thematisieren

  • Ein Blog für pflegende Angehörige und Online-Beratung zur bequemen Informationsakquise und Beratung.

  • Erholungstage: Hierbei handelt es sich um organisierte Kurzurlaube in Österreich - entweder alleine oder gemeinsam mit den pflegebedürftigen Angehörigen: Finanzielle Unterstützung ist hierbei möglich

     

Noras Fazit

Eine Cartoon-Krankenschwester mit grünem OP-Oberteil, lächelnd.

 

Pflegende Angehörige bilden eine tragende Säule innerhalb des österreichischen Pflegesystems. Dies haben auch der Staat und zentrale Organisationen erkannt, weshalb es bereits zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung dieser gibt. 

 

Vor dem Hintergrund des unzureichenden, subjektiven Gesundheitszustandes vieler pflegender Angehörige wird jedoch deutlich, dass es hier noch einiges an Verbesserungsbedarf gibt. Der Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung, der ab Juli 2023 in Kraft trat, bot eine zusätzliche Unterstützung in Höhe von 1.500 Euro netto pro pflegebedürftiger Person.

 

Auch wir möchten nicht nur pflegende Angehörige unterstützen, sondern auch Pflegebedürftige und Pflegekräfte. Aus diesem Grund bieten wir noracares - eine Pflegeplattform und Community in einem, die Dich angefangen bei der Suche nach der passenden Pflegekraft beziehungsweise nach dem idealen Arbeitsplatz bis zum Ende unterstützt. Registriere Dich hier, um Teil dieser Community zu werden.