Haftung in der Pflegeausbildung: Gibt es einen Welpenschutz?
Haftung in der Pflegeausbildung – ein Thema, das vielen Pflegeschülern und Pflegeschülerinnen Bauchschmerzen bereitet. Du stehst noch am Anfang Deiner Laufbahn, möchtest alles richtig machen und trotzdem ode gerade deswegen ist die Angst da: Was passiert, wenn mir ein Fehler unterläuft? Bin ich haftbar, auch wenn ich noch in Ausbildung bin?
Diese Unsicherheit ist absolut verständlich – und Du bist nicht allein damit. Viele Auszubildende in der Pflege fühlen sich verunsichert, wenn es um rechtliche Verantwortung und Haftung geht – besonders dann, wenn die Anleitung nicht ideal ist oder man sich im Alltag alleingelassen fühlt.
Gleichzeitig gilt auch in der Pflegeausbildung: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Fehler gehören zum Lernprozess dazu. Gerade deshalb hoffen viele Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler auf eine Art „Welpenschutz“ – also darauf, dass ihre Fehler toleriert werden und sie nicht sofort für die Konsequenzen haften müssen. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit betrifft nicht nur junge Auszubildende, sondern auch Quereinsteiger, die sich in einem völlig neuen Berufsfeld zurechtfinden müssen.
Doch wie ist das eigentlich rechtlich geregelt? Wann haften Auszubildende wirklich – und wann nicht? Im folgenden Artikel werfen wir einen genauen Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und geben Dir praktische Tipps, wie Du sicherer durch den Ausbildungsalltag kommst – auch wenn mal etwas schiefläuft.
Wer haftet bei Fehlern in der Pflegeausbildung?
Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit – und schon ist es passiert. Die Infusion läuft falsch, ein Bettgitter wurde vergessen oder die falsche Pflegedokumentation ausgefüllt. Gerade in der Ausbildung, wenn jeder Handgriff noch neu ist und die Verantwortung schwer auf den Schultern liegt, kann ein kleiner Fehler große Fragen aufwerfen: Wer trägt jetzt die Schuld? Muss ich haften – oder meine Anleitung?
Diese Unsicherheit beschäftigt viele Auszubildende in der Pflege – und das zu Recht. Denn der Balanceakt zwischen Lernen und Verantwortung ist anspruchsvoll. Doch was sagt eigentlich das Gesetz? Wer haftet wirklich, wenn in der Pflegeausbildung etwas schiefläuft? Ein Blick auf die gesetzlichen Grundlagen in Deutschland und Österreich bringt Klarheit.
Gesetzliche Grundlage in Österreich
Auch in Österreich gilt: Du trägst als Pflegeschüler und Pflegeschülerinnen nicht automatisch die volle Verantwortung, wenn Dir ein Fehler passiert.
Hier regelt das Berufsausbildungsgesetz (BAG) die Haftung. Lehrlinge und Auszubildende haften nur dann, wenn sie grob fahrlässig oder mit Absicht einen Schaden verursachen. Wenn Du also im Rahmen Deiner Anleitung etwas falsch machst, weil Du noch lernst, bist Du in vielen Fällen rechtlich geschützt – besonders bei kleinen Fehlern oder wenn Dir niemand vorher gezeigt hat, wie es richtig geht.
Die Ausbildung ist durch die Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung (PA-PFA-AV) und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) geregelt. Auch hier wird ganz klar festgelegt, dass Ausbildungsbetriebe Dich gut anleiten müssen und dass Du nicht für Dinge haftest, die Du noch nicht wissen oder können kannst.
Gesetzliche Grundlage in Deutschland
In Deutschland gilt grundsätzlich: Laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) haftest Du nur dann, wenn Du einen Schaden absichtlich oder aus grober Unachtsamkeit verursachst. Aber es gibt eine wichtige Schutzregel – die beschränkte Arbeitnehmerhaftung. Diese berücksichtigt:
- Bist Du noch am Anfang Deiner Ausbildung?
- Wurde Dir alles genau erklärt?
- Warst Du ausreichend angeleitet?
Wenn Du also einen Fehler machst, ohne es zu wollen, und nicht alleine gelassen wurdest, wird oft davon ausgegangen, dass Du nicht allein die Schuld trägst. Nur bei groben Fehlern oder Vorsatz musst Du eventuell mit Konsequenzen rechnen. Bei kleinen, versehentlichen Fehlern ist meist der Arbeitgeber oder die Einrichtung verantwortlich.
Die Ausbildung selbst basiert auf dem Pflegeberufegesetz (PflBG). Darin steht, was Du lernen musst, wie Deine Ausbildung abläuft und welche Verantwortung die Schule und Praxisstelle tragen. Dein Ausbildungsstand wird also immer berücksichtigt, wenn etwas passiert.
Wichtig in beiden Ländern: Gute Ausbildung ist das A und O
Die Ausbildung zur Pflegekraft verlangt ein besonderes Maß an Sorgfalt, Genauigkeit und, insbesondere im Umgang mit Medikamenten, größtmögliche Fehlerfreiheit. Pflegekräfte sind aber auch nur Menschen, die erst einmal die Ausbildung durchlaufen müssen. Und wie in jedem Beruf ist die Pflegekraft zuerst einmal Schüler bzw. Schülerin und muss kompetent eingeschult werden.
Damit Du gut geschützt bist, ist es entscheidend, dass Du nicht allein gelassen wirst, sondern eine gute Anleitung bekommst. Pflegeeinrichtungen haben die Pflicht, Dich in Deiner Lernphase zu begleiten und anzuleiten. Nur dann darfst Du auch schrittweise Verantwortung übernehmen – in einem sicheren Rahmen.
Übrigens: Wie wichtig die Praxis während der Ausbildung ist, verrät ein Student der Gesundheits- und Krankenpflege hier.
Was bedeutet Durchführungsverantwortung?
Durchführungsverantwortung bedeutet, dass die Person, die eine Aufgabe oder Maßnahme ausführt, dafür verantwortlich ist, dass alles richtig, sicher und gemäß den Vorgaben abläuft. Diese Verantwortung umfasst nicht nur das korrekte Handeln, sondern auch den Umgang mit möglichen Problemen und Risiken.
Ein besonders wichtiger Aspekt dabei ist Ehrlichkeit und offene Kommunikation. Wer ehrlich ist und offen über mögliche Schwierigkeiten oder Fehler spricht, schützt sich und andere. Denn nur durch transparenten Austausch können Risiken frühzeitig erkannt und gemeinsam Lösungen gefunden werden. Verheimlichungen oder das Verschweigen von Problemen führen oft zu größeren Schäden oder Gefahren.
Ehrlichkeit und offene Kommunikation sind somit kein Zeichen von Schwäche, sondern ein wichtiger Schutzmechanismus. Sie helfen, Vertrauen zu schaffen und sorgen dafür, dass Verantwortung wirklich gelebt und nicht nur formal übernommen wird.
Wann greift der „Welpenschutz“ wirklich?
Oft hört man im Stationsalltag oder in der Schule den Begriff „Welpenschutz“. Doch was bedeutet das eigentlich genau – und schützt er Dich wirklich vor rechtlichen Konsequenzen?
Der sogenannte „Welpenschutz“ beschreibt eine Art Ausnahmesituation für Auszubildende: Wenn Du unter direkter, unmittelbarer Anleitung arbeitest – also Deine Praxisanleitung wirklich neben Dir steht und jederzeit eingreifen könnte –, dann haftest in der Regel nicht Du, sondern die Anleitungsperson. Denn: In diesem Moment trägst nicht Du die volle Verantwortung, sondern die Aufsichtspflichtige.
Das bedeutet aber auch: Der Schutz gilt nicht automatisch – sondern nur unter ganz bestimmten Bedingungen.
Beispiel 1 aus der Praxis
Stell Dir vor, Du sollst unter Anleitung eine Injektion verabreichen. Deine Praxisanleitung zeigt Dir vorher den Ablauf, steht direkt neben Dir und beobachtet jeden Schritt. Du spritzt – aber dabei übersiehst Du einen Hinweis auf der Medikamentenverpackung. Deine Anleitung hätte den Fehler bemerken und eingreifen können – hat es aber nicht.
In so einem Fall liegt die Verantwortung bei der Anleitungsperson. Du warst nicht auf Dich allein gestellt, sondern hast unter direkter Anleitung gehandelt – also greift der „Welpenschutz“.
Beispiel 2 aus der Praxis
Stell Dir vor, Du bist im zweiten Ausbildungsjahr. Deine Anleitung hat Dir schon mehrfach gezeigt, wie Du eine Injektion aufziehst und verabreichst. Heute bist Du allein im Zimmer eines Bewohners, bereitest die Spritze vor und injizierst das Medikament ohne Rücksprache. Dabei verwechselt Du die Dosierung – und der Bewohner reagiert mit Nebenwirkungen.
In diesem Fall greift der „Welpenschutz“ nicht mehr, weil:
- Du nicht unter unmittelbarer Aufsicht standest.
- Die Aufgabe Deinem aktuellen Ausbildungsstand entsprochen hat.
- Du eigenständig gehandelt hast, obwohl ein Fehlerpotenzial bestand.
Das bedeutet: Du trägst hier Mitverantwortung, zumindest teilweise – je nachdem, ob Dir einfache oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird. Zwar schützt Dich die beschränkte Arbeitnehmerhaftung, aber Du bist nicht mehr automatisch frei von Verantwortung.
Checkliste: Wann Du haftest – und wann nicht
Manchmal ist es wie ein Balanceakt auf dem Seil: Du willst lernen, gleichzeitig alles richtig machen – und dann passiert doch ein Fehler. Aber wer fällt, und wer fängt auf? Diese Tabelle zeigt Dir auf einen Blick, wann Du rechtlich geschützt bist – und wann Du selbst Verantwortung trägst.
Ob Du haftest, hängt stark davon ab, wie gut Du angeleitet wurdest und wie sicher die Situation war. Wirst Du eng begleitet, greift der sogenannte „Welpenschutz“ – Du lernst noch und darfst Fehler machen.
Handelt es sich aber um grobe Fahrlässigkeit oder eigenständige Entscheidungen ohne Absprache, kann auch Deine Verantwortung ins Spiel kommen. Wichtig ist immer: Sprich Zweifel aus und frag lieber einmal zu viel als zu wenig.
Innerbetrieblicher Schadensausgleich: Was bedeutet das für Dich?
Wenn wirklich ein Schaden passiert – zum Beispiel, wenn ein Gerät kaputtgeht oder ein Patient versehentlich falsch gelagert wird – stellt sich schnell die Frage nach den finanziellen Folgen. In vielen Fällen greift hier der innerbetriebliche Schadensausgleich.
Das bedeutet:
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Mitarbeitende – also auch Du als Auszubildende oder Auszubildender – teilen sich im Schadensfall die Verantwortung. Je nachdem, wie schwerwiegend Dein Fehler war, wird entschieden, ob Du mithaften musst – und wenn ja, in welchem Umfang.
- Leichte Fahrlässigkeit bedeutet, dass jemand eine Sorgfaltspflicht zwar nicht vollständig eingehalten hat, der Fehler aber eher klein oder unabsichtlich war – zum Beispiel, wenn man einen Arbeitsauftrag versehentlich falsch verstanden hat.
- Grobe Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn jemand sehr nachlässig oder unvorsichtig gehandelt hat – also deutlich mehr hätte tun müssen, um den Schaden zu vermeiden. Zum Beispiel, wenn wichtige Sicherheitsregeln komplett ignoriert wurden.
Dieser Unterschied ist wichtig, weil er bestimmt, wie viel jemand für den Schaden zahlen muss: Bei leichter Fahrlässigkeit ist der Schadensausgleich oft geringer oder Du musst vielleicht gar nichts zahlen. Bei grober Fahrlässigkeit können hingegen höhere Kosten oder andere Konsequenzen auf Dich zukommen.
Deine Rechte während der Ausbildung
Neben Pflichten hast Du auch klare Rechte – gerade in so einem verantwortungsvollen Berufsfeld wie der Pflege. Diese Rechte sollen Dich schützen und Dir ermöglichen, in einem sicheren Rahmen zu lernen.
Hier ein paar wichtige Punkte:
- Recht auf Anleitung: Du darfst keine Aufgaben übernehmen, auf die Du nicht vorbereitet wurdest. Du hast Anspruch auf eine kompetente Anleitung.
- Recht auf Fehlerfreundlichkeit: Du darfst Fehler machen – solange sie nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen. Lernen funktioniert nur durch Erfahrung.
- Recht auf sichere Arbeitsbedingungen: Du musst nicht unter Zeitdruck oder Personalmangel gefährliche Aufgaben übernehmen.
- Recht auf Rückfragen: Du darfst (und sollst!) jederzeit Fragen stellen. Unsicherheit ist kein Makel – sondern Professionalität.
Du bist Pflegeschüler bzw. Pflegeschülerin – kein fertiger Pflegeprofi. Und das ist gut so! Dein Ziel ist es, Schritt für Schritt zu lernen. Dafür brauchst Du Anleitung, Zeit, Vertrauen – und das sichere Gefühl, dass Du Fehler machen darfst, solange Du offen und verantwortungsbewusst damit umgehst.
Die Frage der Haftung in der Pflegeausbildung ist komplex – juristisch und emotional. Klar ist: Du trägst Verantwortung, vom ersten Tag an. Aber Du darfst dabei nicht allein gelassen werden. Niemand erwartet Perfektion – schon gar nicht in einem Beruf, der so viel Fachwissen, Fingerspitzengefühl und Menschlichkeit verlangt.
Fehler passieren – das gehört zum Lernen dazu. Wichtig ist, dass Du gut angeleitet wirst, Fragen stellen darfst und Deine Zweifel ernst genommen werden. Dafür gibt es gesetzliche Schutzmechanismen, in Österreich wie in Deutschland. Der sogenannte „Welpenschutz“ greift, wenn Du unter direkter Anleitung arbeitest. Und auch sonst gilt: Nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz trägst Du persönlich die Konsequenzen.
Unser Appell an Dich:
Sei offen, sprich Unsicherheiten an und fordere Deine Anleitung ein. Nicht aus Angst – sondern aus Verantwortung: für Dich, Deine Kolleg:innen und vor allem für die Menschen, die Du pflegst. Du bist Auszubildende:r – kein:e Einzelkämpfer:in.
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